Physiotherapie trifft kognitive Gesundheit: Brain-Boosting durch Bewegung

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Als Physiotherapeut ist es Ihre Aufgabe, die körperliche Gesundheit und Mobilität Ihrer Patienten zu verbessern. Aber haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie Bewegung und körperliche Aktivität auch die kognitive Gesundheit beeinflussen können? 

Die Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn werden mit dem Fortschritt der Forschung immer deutlicher, und es ist wichtig, dass wir uns als Gesundheitsdienstleisterinnen dementsprechend weiterbilden. 

In diesem Blogartikel werden wir uns genauer mit der Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und kognitiver Gesundheit auseinandersetzen. Zudem erhalten Sie einige wertvolle Tipps, wie Sie Ihren Patientinnen dabei helfen können, ihre kognitive Gesundheit zu verbessern, indem Sie Bewegung und körperliche Aktivität in ihre Therapiepläne integrieren.

 

Schauen wir uns einmal an:

  1. Was ist kognitive Gesundheit?
  2. Welche Rolle spielen Bewegung und körperliche Aktivität?
  3. Praktische Anwendungen für Physiotherapeuten
  4. Ein Erfahrungsbericht

 

1. Was ist kognitive Gesundheit?

Als professionelle Physiotherapeutinnen ist es wichtig, dass wir uns nicht nur auf die körperliche Fitness unserer Patientinnen konzentrieren, sondern auch auf ihre kognitive Gesundheit. 

Kognitive Gesundheit bezieht sich auf die Fähigkeit eines Menschen, Informationen zu verarbeiten, zu speichern und abzurufen. Es umfasst auch die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen und sich zu konzentrieren. Eine gute kognitive Gesundheit ist unerlässlich für ein erfülltes und glückliches Leben. Kognitive Probleme können jedoch die Lebensqualität von Patientinnen erheblich beeinträchtigen. 

Einige Beispiele für kognitive Probleme sind: 

  • Gedächtnisverlust
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • eine verminderte Fähigkeit, neue Informationen zu lernen

Diese Probleme können dazu führen, dass Patientinnen Schwierigkeiten haben, ihre täglichen Aufgaben zu bewältigen, soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten und ihre Arbeit auszuführen.

 

Wie entstehen kognitive Probleme?

Es gibt verschiedene Faktoren, welche die kognitive Gesundheit beeinträchtigen können. Einige der häufigsten Ursachen sind:

  1. Alterung: Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit des Gehirns ab, Informationen zu verarbeiten, zu speichern und abzurufen. Dies kann zu Gedächtnisproblemen, Konzentrationsproblemen und einer allgemeinen Abnahme der kognitiven Fähigkeiten führen.
  2. Krankheiten: Verschiedene Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Schlaganfall können die kognitive Gesundheit beeinträchtigen.
  3. Verletzungen: Eine Kopfverletzung oder ein Schädel-Hirn-Trauma kann zu kognitiven Problemen führen, insbesondere wenn die Schädigung des Gehirns schwerwiegend ist.
  4. Stress und Angst: Chronischer Stress und Angst können das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen.
  5. Schlafstörungen: Schlafstörungen wie Schlafapnoe1 oder Schlaflosigkeit können zu kognitiven Problemen führen, da der Körper und das Gehirn nicht ausreichend Erholung bekommen.

Als Physiotherapeutin können Sie Ihre Patientinnen durch Bewegung dabei unterstützen, ihre kognitive Gesundheit zu verbessern und zu schützen. Wie genau, erfahren Sie später. Lassen Sie uns zuerst anschauen, wie genau körperliche Aktivität die kognitive Gesundheit fördert.

 

2. Welche Rolle spielen Bewegung und körperliche Aktivität?

Studien haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivität eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der kognitiven Gesundheit spielen. Ein Beispiel hierfür ist die "Physical Exercise as a Preventive or Disease-Modifying Treatment of Dementia and Brain Aging" Studie, veröffentlicht im Journal of Alzheimer's Disease. 

In dieser Studie wurde eine Metaanalyse von 16 randomisierten kontrollierten Studien durchgeführt, um den Einfluss von körperlicher Aktivität auf das Gehirn und kognitive Funktionen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz reduziert und die kognitive Leistung bei älteren Erwachsenen verbessert.

 

Aber wie genau funktioniert das? 

Mehr Bewegung fördert folgende drei Zusammenhänge:

  • Mehr Energie fürs Gehirn: Durch körperliche Aktivität wird die Durchblutung des Gehirns erhöht, was wiederum die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gehirns verbessert. Eine bessere Sauerstoff- und Nährstoffversorgung ist wichtig für die Gesundheit und Funktion des Gehirns, da das Gehirn viel Energie benötigt, um zu funktionieren. 
  • Synapsenbildung: Mehr Bewegung fördert die Freisetzung von bestimmten Hormonen wie dem Wachstumshormon und dem Brain-Derived-Neurotrophic-Factor (BDNF), die das Wachstum von Gehirnzellen anregen und die Bildung neuer Synapsen fördern. Diese Synapsen sind entscheidend für die Übertragung von Informationen zwischen den verschiedenen Gehirnregionen und bilden die Grundlage für unser Lern- und Gedächtnisvermögen.
  • Weniger Stresshormone: Körperliche Aktivität kann auch dazu beitragen, Stress und Angstzustände zu reduzieren. Stress und Angstzustände können das Gehirn negativ beeinflussen und sogar zu kognitiven Problemen führen. Durch körperliche Aktivität wird die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin gedrosselt, was wiederum dazu beitragen kann, Stress und Angstzustände zu reduzieren.

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3. Praktische Anwendungen für Physiotherapeuten

Die Theorie sitzt, kommen wir zur praktischen Umsetzung. Eine Vielzahl an Sportarten und Übungen können Ihren Patientinnen bei der Unterstützung ihrer kognitiven Gesundheit helfen. Je nach Problem können Sie folgende Empfehlungen aussprechen und den Therapieplan dementsprechend erweitern:

 

Radeln bringt Schwung in die grauen Zellen

Regelmäßiges Radfahren hat eine positive Auswirkung auf die kognitive Gesundheit. Eine Studie, welche 2013 von der Universität Illinois durchgeführt wurde, untersuchte die Auswirkungen von Radfahren auf das Gehirn bei jungen Erwachsenen. 

Die Teilnehmer fuhren sechs Monate lang regelmäßig Fahrrad und es wurde festgestellt, dass die graue Substanz2 im Gehirn zugenommen hatte, insbesondere in Regionen, die für Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit wichtig sind.

 

Schwimmen fördert das Gedächtnis

Schwimmen hat ebenfalls positive Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit. Eine Studie, die im Journal of Science and Medicine in Sport veröffentlicht wurde, untersuchte die Auswirkungen von Schwimmen auf die kognitive Funktion bei älteren Erwachsenen. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei eine Gruppe dreimal pro Woche 50 Minuten lang schwamm und die andere Gruppe nicht aktiv war.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe, die regelmäßig schwamm, eine signifikante Verbesserung ihrer kognitiven Funktionen aufwies, besonders in den Bereichen des Arbeitsgedächtnisses und der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Darüber hinaus zeigte die Schwimmgruppe auch eine verbesserte Stimmung im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Eine mögliche Erklärung für diese Ergebnisse ist, dass Schwimmen eine komplexe Aktivität ist, die sowohl aerobe als auch anaerobe Energieprozesse erfordert. Dies kann dazu beitragen, die Durchblutung des Gehirns zu verbessern und die Freisetzung von Neurotrophinen zu fördern, die das Wachstum von Gehirnzellen und die Bildung neuer Synapsen anregen.

 

Retrosport für ein junges Gehirn

Nichts schreit 80er so sehr wie Aerobic. Dieses Fitnesstraining kombiniert Gymnastik mit Tanz und begeistert schon seit Jahrzehnten die Menschen. Doch Aerobic hebt nicht nur die Stimmung, sondern macht auch den Synapsen Spaß.

Eine Studie von Erickson et al. (2011) ergab, dass ältere Erwachsene, die regelmäßig an einem Aerobic-Trainingsprogramm teilnahmen, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die keine körperliche Aktivität ausübte, eine Zunahme der Hippocampusgröße3 um etwa 2 % aufwiesen. 

Die Autoren schlugen vor, dass diese Zunahme der Hippocampusgröße auf eine verbesserte kognitive Funktion zurückzuführen sein könnte, da der Hippocampus eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisbildung und -erhaltung spielt.

 

Gleichgewichtsübungen

Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts können das Gehirn stimulieren, indem sie das visuelle und vestibuläre4 System des Körpers herausfordern. Zudem tragen sie dazu bei, dass das Gehirn neue neuronale Verbindungen bildet. Diese machen das Gehirn widerstandsfähiger gegen altersbedingte Schäden und tragen zur Erhaltung der kognitiven Funktionen bei.

 

Krafttraining

Krafttraining kann dazu beitragen, die Durchblutung des Gehirns zu verbessern, was dazu beiträgt, dass mehr Nährstoffe und Sauerstoff zum Gehirn gelangen und somit die kognitive Funktion unterstützen. Studien haben gezeigt, dass Krafttraining die kognitiven Fähigkeiten wie das Arbeitsgedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Konzentrationsfähigkeit verbessert.

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4. Ein Erfahrungsbericht

Für diesen Artikel haben wir uns mit Rainer Vogel zusammengesetzt. Der Senior aus Hamburg hatte vor wenigen Jahren aufgrund von Gedächtnis- und Reaktionsproblemen Hilfe gesucht und diese unerwartet bei seinem Physiotherapeuten gefunden.

 

Nun teilt er mit uns seine Erfahrungen:

„Ich war zunächst etwas skeptisch, dass körperliche Übungen tatsächlich dazu beitragen könnten, meine geistige Gesundheit zu verbessern, aber ich war bereit, alles auszuprobieren.

Mein Physiotherapeut begann mit einfachen Übungen, die meine Hand-Augen-Koordination und räumliche Wahrnehmung verbessern sollten. Wir begannen mit einfachen Ballspielen, die ich zunächst etwas mühsam fand, aber nach ein paar Wochen merkte ich bereits eine Verbesserung meiner Reaktionsfähigkeit.

Als Nächstes führten wir Übungen durch, die meine Feinmotorik verbessern sollten. Ich bekam kleine Gegenstände, die ich in verschiedenen Kombinationen und Positionen halten und bewegen musste. Diese Übungen waren zwar anspruchsvoll, aber auch sehr unterhaltsam.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil unseres Trainingsprogramms war Krafttraining. Mein Physiotherapeut erklärte mir, dass die Stärkung meiner Muskeln dazu beitragen würde, dass mein Gehirn mehr Sauerstoff erhält. Ich begann mit leichten Gewichten und arbeitete mich langsam zu schwereren Gewichten vor.

Neben den körperlichen Übungen gab mir mein Physiotherapeut auch einige kognitive Übungen, die ich zu Hause durchführen konnte. Ich begann mit einfachen Gedächtnisspielen und arbeitete mich dann zu komplexeren Übungen vor.

Ich bin jetzt seit fast zwei Jahren bei meinem Physiotherapeuten und ich kann bereits deutlich eine Verbesserung meiner kognitiven Fähigkeiten feststellen. Ich fühle mich geistig schärfer und kann mich besser konzentrieren. Auch meine körperliche Gesundheit hat sich verbessert, da ich nun stärker und fitter bin.

Insgesamt bin ich meinem Physiotherapeuten sehr dankbar, dass er mir geholfen hat, meine kognitiven Fähigkeiten zu steigern.”

 

Glossar

 

Schlafapnoe1: Atmungsstörung, durch welche das Gehirn nicht genug Sauerstoff bekommt; verursacht mehrere Weckreize in der Nacht

graue Substanz2: wichtiger Teil des Zentralnervensystems, steuert alle Hirnfunktionen

Hippocampus3: Teil des Gehirns, Schaltstation des limbischen Systems

vestibulär4: den Gleichgewichtssinn betreffend

 

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